Leserbrief
betreffs Artikel vom 03. Dezember 2005 in der Mitteldeutschen
Zeitung:
Ruf
nach mehr Jobs – Müntefering appelliert an die Wirtschaft:
Es
ist mehr als fraglich ob es reicht „davon auszugehen, dass die deutsche
Wirtschaft sich ihrer sozialen Verantwortung bewusst ist“, um als neue
Regierung die Schaffung von Arbeitsplätzen zu unterstützen. Darüber hinaus
ist es völlig falsch, den Ausbildungspakt 2004 als Erfolg zu bezeichnen, wenn
man sich die Novemberdaten der Bundesagentur für Arbeit im Bezug auf
Ausbildungsplätze und die Nachfrage von Jugendlichen nach Ausbildung ansieht.
Appelle
an die Wirtschaft werden nichts bringen. Wenn sich Müntefering einbildet, dass
„Managergrößen“, wie die Zumwinkel’s,
Ricke’s und Ackermann’s
dieser Wirtschaftswelt, eher auf ihn hören, als auf die Börsenanalysten, täuscht
er sich. Ich denke, er weiß das auch ganz genau. Hat er nach dem Wahlkampf
seinen Frieden mit den Heuschrecken geschlossen? Noch im April klang Münteferings
Ruf nach Arbeitsplätzen kämpferisch und wurde im Land als Kapitalismuskritik
bekannt. Jetzt, im Schmusekurs mit Angela Merkel, sind solche Töne
Vergangenheit. Wie schnell doch die erhaltene politische Macht, das Mäntelchen
im Wind wehen lässt.
Wenn
es Müntefering und die Regierung ernst meinen würden, dann könnten sie als größter
Aktienhalter der Deutschen Telekom den Vorstand befragen, wie sich soziale
Verantwortung und der Abbau von 32 000 Arbeitsplätzen vertragen. Wenn es ihnen
ernst wäre mit menschenwürdigen Arbeitsbedingungen, dann könnte sich die neue
Regierung stark machen, damit Gewerbeaufsichtsämter
ihrer Verantwortung nachkommen und z.B. unangekündigte Kontrollen in Betrieben
und Unternehmen durchführen. Die Regierung könnte ihre starke politische
Mehrheit in der Diskussion um längere Arbeitszeiten in Deutschland nutzen und
auf den Fakt verweisen, dass längere Arbeitszeit für Arbeitnehmer keine
Arbeitsplätze schafft. Und sie könnte aus den positiven Erfahrungen vieler
europäischer Nachbarn mit einem Mindestlohn die richtigen Schlüsse ziehen. Das
ließe sich gesetzlich regeln. Spätestens wenn Müntefering feststellt, dass
appellieren nicht hilft, ist politisches Handeln gefragt. Ich bin gespannt, aber
ohne Hoffnung, dass er mit Taten so gut wie mit Worten umgehen kann, wenn es um
Arbeitsplätze und deren Konditionen geht.
Mit
freundlichen Grüssen
Ulrich
Schrieber